Jahrelang hatten einheimische Entwickler wie das German Airports Team (GAP) das quasi-Monopol auf deutsche Flughäfen, doch nun beginnt die Zeit des Umbruchs. Hochmotivierte Designer, die vor einigen Jahren noch kaum jemand kannte oder die es damals nicht einmal gab, zeigen den „alteingesessenen Herren“, wo der Hammer hängt. Bewaffnet sind die „Eindringlinge“ nicht etwa mit Schwertern oder Äxten, sondern mit teilweise beeindruckenden Fähigkeiten sowie einem rasanten Tempo, wenn es darum geht, neue Szenerien zu veröffentlichen. Eine Aufarbeitung der aktuellen Situation – jetzt hier im Artikel.

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Frankfurt ist das neue Düsseldorf

Liest man zwischen den Zeilen, dann haben zahlreiche Kunden offenbar gehörig die Schnauze voll von den derzeitigen Szenerieprojekten in Deutschland. Die aktuelle Version des Mega Airport Frankfurt – immerhin der wichtigste Flughafen in Deutschland und einer der wichtigsten in Europa – ist hoffnungslos veraltet, sowohl vom Flughafenlayout, als auch von den Designtechniken. Die neue Landebahn existiert derzeit immer noch als provisorisches Not-Update. Und bei der neuen Version 2 tut sich nichts, aber auch wirklich gar nichts. In Reaktion auf die ersten Preview-Bilder aus dem Sommer 2014 wurde bereits gespottet, dass FS2004-Qualität im FSX ja ein echter Durchbruch sei. Die aktuellsten Screenshots sind nun auch schon wieder Schnee von vorgestern, denn der November 2014 ist auch schon etwas her. Wie aufgeheizt und emotional manche User bei diesem Thema reagieren, wird schnell klar: Damit die Stimmung etwas abkühlt, hat Mathijs Kok den Thread im Aerosoft-Forum geschlossen. Da diese Maßnahme nun auch schon wieder mehr als ein halbes Jahr zurückliegt, dürfte das Temperament zahlreicher Frankfurt-Fans mittlerweile in Richtung Gefrierpunkt gesunken sein.

Um einer Unterkühlung vorzubeugen, muss indes ein US-Amerikaner ran. Der Entwickler Mir von den Flightbeam Studios hat als fünften Flughafen nicht etwa einen Mega Airport in den Vereinigten Staaten ausgewählt, vielmehr wagt er sich nach Zentraleuropa und ließ mit seiner Ankündigung, dass Frankfurt sein nächstes Projekt werden soll, die Herzen vieler virtueller Airlinerpiloten höherschlagen.

Zugegeben: Auch Frankfurt von den Flightbeam Studios ist verspätet, jedoch attestierten Tester aus aller Welt den vorherigen Szenerien eine extraordinäre, zeitgenössische Qualität. Ob  Flightbeam auch deutsche Airports kann, muss sich zwar noch herausstellen, trotzdem wird Mir im Gegensatz zum GAP zugetraut, eine den aktuellen Standards entsprechende Umsetzung des Großflughafens zu liefern.

Wo bleiben eigentlich Nürnberg und Dresden?

Neben Frankfurt sind auch die Flughäfen Dresden und Nürnberg zwei solche „Problemkandidaten“, doch zumindest letzterer wird wohl irgendwann nach Ostern 2016 erscheinen wird, nachdem sich Volker Wegner (Captain7) und Lars Pinkenburg (29Palms) diesem Projekt angenommen haben. Dass auch diese zwei Entwickler ordentlich was auf dem Kasten haben, wurde im Rahmen vorheriger Projekte bereits hinreichend bewiesen. 29Palms katapultierte sich im Jahr 2012 mit dem Add-On „Mykonos X“ an die Spitze der globalen Designer-Elite und darf nun zu Recht in einem Zug mit Namen wie FlyTampa genannt werden.

Und dann ist da noch Taxi2Gate, die mit ihrer München-Szenerie zwar nur bedingt überzeugen konnten (Add-On Check lesen), aber immerhin zeigten, dass neue Designtechniken durchaus auch auf deutschen Großflughäfen angewendet werden können.

Anderes Land, gleiche Situation: Österreich

An dieser Stelle sei ein Blick über den Tellerrand nach Österreich gestattet, denn auch hier machen sich Entwickler aus dem Ausland „breit“. Erst kürzlich veröffentlichte der Russe Evgeny Baturin von Digital Design seine exzellente Salzburg-Szenerie (Add-On Check lesen) und kam damit „Gianni“ vom DesignTeam zuvor, der bereits seit 2011 an LOWS arbeitet, aufgrund der Mitarbeit an Austria Professional HD sowie seinem zeitraubenden Hauptberuf aber nur wenig Zeit für das Projekt fand.

Doch auch Approaching Innsbruck, welches derzeit überarbeitet sowie Prepar3D v3 kompatibel gemacht wird und dann als kostenpflichtiges Update erscheinen soll, bekommt bald Konkurrenz durch einen international renommierten Entwickler, während der Flughafen Linz voraussichtlich in einer Woche als zweite Szenerie eines russischen Newcomers erscheinen wird. Aktuell ist also ordentlich Trubel im Alpenland, dank Teams aus dem Ausland.

Was der Umbruch bedeutet

Durch welche Symptome sich dieser Umbruch in der deutschen Flusi-Szene – die alten Entwickler werden durch international tätige Designer abgehängt – äußert, wurde nun hinreichend erläutert. Eine Überraschung ist diese neue Situation nicht, vielmehr überrascht es, warum der Umbruch so lange auf sich warten lies.

Add-Ons für den Flugsimulator werden seit Jahren immer komplexer, besonders bei Szenerien ist der Arbeitsaufwand durch eine beinahe schon unglaubliche Detailverliebtheit enorm gestiegen.  Für Personen wie Gianni oder auch das German Airports Team, die nicht hauptberuflich entwickeln und neben dem Job nicht übermäßig viel Zeit haben, lassen sich derartige heiß erwartete Projekte nur noch schwer realisieren. Denn zum einen muss ein hohes Qualitätsniveau erreicht werden, was das zeitintensive Erlernen von neuen Techniken erfordert, zum anderen wollen die Kunden nicht ewig auf das Produkt warten.

Dies wird zur Folge haben, dass Szenerien, mit denen sich ordentlich Umsatz machen lässt, zunehmend von Vollzeit-Designern umgesetzt werden, die nicht zwingend in Deutschland oder Österreich leben. Seit Wochen stehen München von Taxi2Gate sowie Salzburg von Digital Design ganz oben auf der Bestsellerliste im simMarket – nicht ohne Grund. Deutschland ist einer der größten Märkte für die Flugsimulation und dementsprechend attraktiv für Designer. Für alle Kunden bedeutet dies: Bessere Qualität bei kürzeren Wartezeiten auf neue Add-Ons.

Warum wir die alteingesessenen Entwickler nicht abschreiben sollten

Trotz alledem sollten wir den „abgehängten Designern“ auf gar keinen Fall sagen: Danke für die schönen Szenerien, aber jetzt ist die Zeit bekommen, abzutreten und Platz für die neuen Sterne am Himmel zu machen.

Zum einen ist dies respektlos im Bezug auf die exzellente Arbeit, welche in der Vergangenheit geleistet wurde. Zum anderen ist der größte Nachteil der Freizeit-Developer zugleich ihr größter Vorteil: Viele bauen Szenerien unter anderem, weil es ihnen Spaß macht, und nicht, weil sie Geld verdienen müssen. Nun könnte man argumentieren, dass auch den Vollzeit-Designern das Erstellen von neuen Airports Spaß bereitet und Leute wie Gianni ihre Arbeit dann ja als Freeware anbieten könnten. Diese Ansicht vergisst allerdings, dass mit der Entwicklung von Szenerien oft auch Kosten verbunden sind, die man irgendwann nicht mehr aus der eigenen Tasche bezahlen kann.

Egal. Der Punkt ist nämlich: Unbekanntere Flughäfen sind für kommerzielle Vollzeit-Entwickler finanziell uninteressant und werden deshalb wahrscheinlich eher nicht von diesen nachgebildet. Und genau hier kommen alle Designer zum Zug, welche ihr Einkommen nicht mit dem Erstellen von Flugsimulator Add-Ons bestreiten, sondern dies nur als angenehmen Nebenverdienst pflegen.

Denn wer nicht unbedingt auf den Gewinn angewiesen ist und lediglich kostendeckend arbeiten will, der setzt auch finanziell weniger attraktive Projekte um. Hand aufs Herz: Kassel-Calden für den Flugsimulator wäre als Payware wohl ähnlich gewinnbringend wie das als mittlerweile als Millionengrab fungierende, reale Vorbild, aber trotzdem keineswegs uninteressant für regionale Flusi-Piloten. Und aus diesem Grund sollten wir Leute wie das German Airports Team nicht abschreiben, sondern weiterhin unterstützen.

Wenn die wichtigsten Flughäfen in Deutschland und Österreich in hoher Qualität umgesetzt sind und die deutsche Community statt „Wir wollen Frankfurt“ dann „Wir wollen Rostock-Laage und Braunschweig-Wolfsburg und Memmingen!“ brüllt, dann werden die Vollzeit-Entwickler nur müde lächeln und fragen: „Bitte was? Es gibt 100 interessantere Flughäfen auf der Welt als diese unspektakulären Regionalairports.“


Frank Kuhn für flusinews.de

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Autor

Hallo, ich bin Frank und schreibe seit 2011 für flusinews.de. Damals war unsere Website ein kleines Hobbyprojekt, heute eine wichtige Stimme in der Flugsimulator-Szene – auch wenn wir immer noch in unserer Freizeit schreiben. Auf flusinews.de kümmere ich mich um alles, was irgendwie mit Inhalten zu tun hat. Am liebsten schreibe ich ausführliche Hintergrundberichte über Themen, welche die Szene bewegen.

Bisher 4 Kommentare

  1. Danke für diesen Artikel! Du sprichst mir aus der Seele!
    Ich fliege gerne in Nordamerika oder in den Dolomiten (1000Dank an Frank Dainese), aber meine Heimat ist der EDDN und es ist sehr schade das Deutschland und seine Flüghäfen, egal ob regional oder Megaairport etwas ins Abseits rutschen! Mit P3D v2 und v3 gibt es mittlerweile super Potenzial und die Möglichkeit den alten FS2004 Style abzuschreiben! Wäre toll wenn man auch mit aktueller Technik/Style in der Heimat fliegen könnte, den Deutschland hat weit mehr zu bieten als ein paar grobe Pixel und ungenaues Terrain!
    Und ich denke, jeder der dieses Hobby betreibt ist auch bereit einen angemessenen Preis für ein gutes Produkt zu zahlen! Denn was gibt es schöneres als nen tollen VFR Flug über die Heimat…
    Grüße aus Franken!
    P.S.: Wenn es jetzt manche „großen“ Entwickler noch schaffen würden, ihre Drehflügler mal auf den neuesten technischen Stand zu bringen, wäre es PERFEKT! (Cera (gibts die noch?),Nemeth,…?)

    • Hallo Alex,
      vielen Dank für dein Lob.

      Ich vermute, dass viele Hubschrauber-Entwickler aufgrund der begrenzten Möglichkeiten im FSX/P3D hier nicht mehr sonderlich viel tun. Da bieten DCS und X-Plane einfach einen viel besseren Ausgangspunkt.

      Trotzdem gibt es natürlich noch Entwickler, die an Helis arbeiten, z.B. Milviz, die ja auch einige Nemeth-Helis aktualisieren wollen.

  2. Ich bin da etwas hin- und hergerissen. Auf der einen Seite haben die Flughäfen des German-Airports-Teams tatsächlich jetzt schon einige Jahre auf den Buckeln. Aber ich finde sie immer noch atmosphärisch sehr gut gelungen, und es wird vermutlich seeeehr lange dauern, bis dieses oder andere Entwicklerteams modernere Versionen all dieser Flughäfen dauern. Bis dahin finde ich die alten Flughäfen zur Überbrückung immer noch mehr als ausreichend – außer vielleicht das jetzt doch schon sehr angestaubte EDDF V1. Ich warte genauso händeringend wie viele andere auf Version 2, und finde diese nun schon mehr als einjährige Funkstille von Seiten der Entwickler mehr als suspekt.

    Und wenn ich mir ansehe, was Taxi2Gate für München abgeliefert hat, bin ich auch nicht der Meinung, dass das Ran“holen“ anderer Entwickler gleich ein Allheilmittel ist. Was gerade in Österreich diesbezüglich passiert, ist eindrucksvoll (mindestens im Fall von Salzburg), aber es zeigt sich daran auch, dass ein Airport nur dann wirklich gut wird, wenn man Sorgfalt und Aufwand reinsteckt – und auf Schnellschüsse oder unzureichende Vorlagen verzichtet.

    Nürnberg sieht vielversprechend aus, aber die beiden Designer sind ja auch wirklich wahre Könner. Jetzt würde ich mir nur wünschen, dass sie oder ähnlich fähige Köpfe sich Dresdens annehmen würden – dann wären (gemeinsam mit EDDF V2) die wichtigsten Lücken im deutschen FS-Airport-Netz geschlossen. Zumindest, was die absolute Profi-Qualität angeht. Denn für Nürnberg gibt es ja eigentlich eine mehr als brauchbare Freeware, und für Dresden eine Payware, die wohl (nach allem, was ich über sie gelesen habe) auch nicht gerade ein Reinfall ist.

    Deshalb würde ich auch sagen: Wir in Deutschland jammern da auf hohem Niveau. Selbst Länder von der Größe und/oder touristischen Bedeutung Rumäniens und Marokkos müssen komplett auf Profi-Szenerien in der FS-Welt verzichten – und weitgehend auch auf halbwegs gut gemachte Freeware-Szenerien. Mit den Flusi-Enthusiasten dort will ich ganz sicher nicht tauschen. Wir dagegen haben ein sehr dichtes Netz an wirklich brauchbaren Flughäfen für FSX und Co., und dass die höchstens mal wieder aktualisiert werden könnten, sind da schon eigentlich wieder Luxusprobleme.

    • Korrektur: Es sollte natürlich “ bis dieses oder andere Entwicklerteams modernere Versionen all dieser Flughäfen DESIGNEN“ heißen.

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