Platz und Geld für ein eigenes Homecockpit ist nur Wenigen vergönnt. Für alle anderen gibt es mittlerweile ein recht breites Spektrum an mehr oder weniger professionellen Nachbildungen der großen und kleinen Flieger, von denen viele von uns häufiger träumen, als es die bessere Hälfte manchmal versteht. Wir haben uns den wirklich guten Boeing 737-800-Simulator der Firma Aviare in Berlin angesehen und waren von der Umsetzung und der angenehmen Atmosphäre dort begeistert. Mehr dazu im flusinews.de Flugsimulator-Check.

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Die Anfahrt

Die Geschäftsräume von Aviare – übrigens ursprünglich als Ingenieursbüro für Luftfahrtberatung gegründet und als solches auch nach wie vor aktiv – finden sich in der quirligen Kantstraße im Herzen Berlin-Charlottenburgs. Auf einem Hinterhof hat man sich in ausreichend dimensionierten Räumlichkeiten eingerichtet und mittels Aufstellern und eines großen Werbeschildes ist der Eingang absolut nicht zu verfehlen. Auf dem Hof sind außerdem Parkmöglichkeiten für kraftfahrzeugbeschleunigte Gäste vorhanden. Besser kommt man aber mit der S-Bahn und läuft vom Bahnhof Savignyplatz wenige Minuten zu Fuß zum Check-In.

Die Location

Betritt man die Räumlichkeiten der Firma, die den Simulator mit zwölf Mitarbeitern betreut, wird man vom Personal sehr freundlich und zuvorkommend begrüßt und es gibt erstmal Kaffee und verschiedene Kaltgetränke in urig bequemen ausgedienten Economysitzen der Japan Airlines. Die Location wirkt zwar nüchtern, überzeugt aber als Stimmungsmacher aufgrund im Boden verbauter originaler Runwaybefeuerung, diverser Flugzeugmodelle, ausgestellter Cockpitteile und Luftfahrtkarten. Die Sanitäranlagen sind darüber hinaus erstklassig und haben fast Hotelstandard!

Der Besuch bei Aviare war rein privater Natur und wurde auch privat bezahlt. Es erfolgte keinerlei Werbeauftrag an flusinews.de.

Im Empfangsbereich gibt es einen großen Fernseher, über den Gäste das Geschehen im Simulator per Liveübertragung verfolgen können. Kommt man mit den Leuten hinter Aviare ins Gespräch, stellt man schnell fest, dass hier nicht nur Luftfahrtprofis am Werk sind (alle Instruktoren haben eine Pilotenausbildung und/oder studieren Luft- und Raumfahrttechnik), sondern dass sie auch die Fähigkeit besitzen, ihr Wissen zu teilen.

Unser Instruktor Kevin führte uns mit einer gekonnten Mischung aus Witz und spannenden technischen Fakten über das Flugzeug Boeing 737 in die Simulatorsession ein. Von Anfang an wurde klar, dass man hier in der Lage ist, sich total auf den Kunden einzustellen und da bei uns schon etwas Vorwissen über die 737 vorhanden war, fanden wir mit Kevin schnell eine Wellenlänge und mussten nicht im Urschleim der Physik des Fliegens herumwühlen – denn selbstredend zog es uns schnellstens ins Cockpit.

Der Boeing 737-800-Simulator

Neben eines kleineren portablen Einsitzer-Cockpits der 737, welches man für Events und Messen ausleihen kann, stellt natürlich das große Cockpit das Highlight dar. Alleinstellungsmerkmal unter den 737-Simulatoren für den öffentlichen Bereich ist hier die Bewegungsplattform der Firma Motion for Simulators, auf der das vollständig verkleidete Cockpit steht beziehungsweise durchgeschüttelt wird.

Wir wählten den Start unseres Abenteuers im Cold-and-Dark-Modus des Fliegers und folglich war bis auf die Außenwelt beim Betreten alles dunkel. Daraufhin arbeiteten wir die spezifischen Scanflows ab und erweckten die Maschine sowohl sound- als auch lichttechnisch zum Leben. Welch ein Gefühl, das gesamte Feuerwerk aus Meldeanzeigen, wirklich bedienbaren Schaltern und Hebeln der Maschine einmal wirklich erleben und anfassen zu können – Immersion zu 10000%, man will am liebsten nie wieder mit der Maus am Monitor die CDU oder das MCP bedienen.

Nach dem Pushback starten wir die Triebwerke, rollen mit den immer wieder hilfreichen Tipps von Kevin zur Piste und starten. Unter uns bebt der Sim und es drückt uns in die Sitze – ein gekonnter Trick der Motionplattform, die unser eigenes Körpergewicht nutzt, um unserem Gehirn eben diesen Beschleunigungseffekt vorzuspielen.

Sogar die Simulation von Notfällen ist möglich

Mit einiger Kraft wird der Yoke nach hinten gezogen und der Flieger schwebt in den turbulenten Berliner Echtwetterhimmel. Das Cockpit ist ständig in Bewegung und wir lassen die Anschnallzeichen für die Passagiere lieber eingeschaltet. Anmerkung: Für den weniger verträglichen Magen liegen die aus dem echten Flieger bekannten Papptütchen bereit.

Die Atmosphäre ist umwerfend, die Systeme reagieren wie erwartet und sind in einer immer wieder erstaunlichen Detailtiefe nachgebildet. So lässt sich zum Beispiel Rauch im Cockpit simulieren, es gibt funktionierende Sauerstoffmasken, der Verschluss der Cockpittür wird wirklich überwacht, außerdem lässt sich der gesamte Flugverlauf per Instructor-Station aufzeichnen und kann danach ausgewertet werden.

Die Instrumente und Steuereinheiten kommen hauptsächlich von den Firmen CPFlight, Flyengravity, Cockpitforyou und weiteren. Außerdem gibt es bereits jetzt einige Komponenten aus dem echten Flieger, die für die Simulation umgerüstet wurden – ein aufwendiger Prozess, der in Zukunft noch weiter ausgebaut werden soll. Ziel soll langfristig ein weitgehender Einsatz von Originalflugzeugteilen sowie der Einbau eines Control Load Systems sein, also echtes Force Feedback für noch mehr Flugdynamik, denn Fly-by-Wire ist in der 737 (zum Glück) Fehlanzeige!

Der Simulator läuft auf Basis von Prepar3D v4

Aviare_Boeing_737-800-Simulator_Berlin_05

Das Sichtsystem außerhalb der Cockpitfenster besteht aus drei Full-HD-Beamern mit Projektion auf einer gekrümmten Leinwand, als Simulator liegt Prepar3D v4 und als Avioniksuite Prosim AR zu Grunde. Tatsächlich könnte die Außenwelt noch etwas schärfer dargestellt werden, aber auf den insgesamt drei Starts und Landungen haben wir eh die meiste Zeit auf die Instrumente und Schalter geschaut – das war viel spannender als die Umgebung.

Nach der letzten Landung im dunklen Nordnorwegen verließen wir das (übrigens gut klimatisierte) Cockpit völlig geflasht von der Tatsache, wieder zurück in der Realität und inmitten eines Berliner Hinterhofs zu stehen – ja, Immersion geht wirklich so weit. Abschließend bekamen wir noch ein wirklich gut gemachtes Zertifikat in einem Rahmen überreicht und ließen die Session noch bei einem Getränk ausklingen. Obwohl wir die Zeit ein bisschen überzogen haben, kam zu keinem Zeitpunkt Hektik auf und wir konnten uns noch in Ruhe über einige technische Besonderheiten des Simulators unterhalten.

Aviare hat verschiedene Pakete im Angebot

Aviare bietet verschiedene Pakete für unterschiedliche Geldbeutel an. Wer Wochenenden anpeilt, sollte auf jeden Fall im Internet bestellen und einen Termin ausmachen, wer aber spontan in der Woche Lust nach Fliegerei verspürt, kann auch kurzfristig in der Kantstraße vorbeischauen. Die Chance ist groß, gleich dranzukommen. Im Internet werden neben dem 30-Minuten-Kurzpaket und bis zu 120 Minuten reiner Flugzeit (ohne Briefing) mit Verlängerungsoption diverse Actionszenarien angeboten.

Hier kann man zum Beispiel den hoffentlich äußerst unwahrscheinlichen Fall durchspielen, als Passagier nach der Bewusstlosigkeit beider Piloten unter Anweisung des Fluglotsen den Flieger zurück zum Boden zu befördern – sicherlich eine nervenaufreibende Herausforderung! Auch hier gilt: Bei der Buchung kann man Wünsche angeben und auf das persönliche Vorwissen wird gekonnt und charmant Rücksicht genommen. Beispielpreis für einen Zweistundenflug mit Bewegung und zusätzlichen Briefings davor und danach ist derzeit 349 Euro.

Das Fazit

Die 737 von Aviare ist nicht nur im Cockpit ein echtes Vergnügen. In der Location stimmt alles: Die Betreuung, die Stimmung, die fühlbare Begeisterung des Personals sowie die technische Umsetzung des Gesamtkonzepts. Die professionelle Herangehensweise an den Betrieb des Simulators, den die Firma hier an den Tag legt, sowie die kontinuierliche Weiterentwicklung der Systeme zeigen, dass man nicht stehenbleibt und den Simulator zukunftsfähig erhalten will.

Wir hatten eine super Zeit bei Aviare und können einen Besuch dort wärmstens auch allen Nicht-Berlinern empfehlen!


Alle Bilder in diesem Artikel stammen von Königs Fotografie und wurden uns mit freundlicher Genehmigung von Aviare zur Verfügung gestellt.

Die Pakete in der Übersicht findest Du auf der Website des Anbieters. Weitere Informationen beantwortet Aviare auch telefonisch unter +49 (0) 30 / 37 30 23 70.

Autor

Mein Name ist Jens Leuteritz und ich bin seit Anfang 2015 bei flusinews.de dabei. Meine Flugsimulatorlaufbahn teilt sich in zwei Abschnitte auf: Als Jugendlicher fesselten mich vor allem der FS2002 und der FS9, und nach etlichen Jahren fliegerischer Abstinenz stieg ich dann 2014 mit dem FSX und zahlreichen Add-Ons wieder voll ins „Geschäft" ein. Die Fülle an Szenerien und professionellen Fliegern, aber auch die riesige Community reizten mich, die Erfahrungen anderer Nutzer nicht nur zu konsumieren, sondern selbst mit Tests und Reviews zum Auskommen der Szene beizutragen. Um meine Brötchen zu verdienen, arbeite ich nach dem Studium mittlerweile als Fahrdienstleiter bei der DB Netz AG und gebe, wie es im Jobportal heißt, „Zügen Regieanweisungen“. Im Flightsimulator reizen mich vor allem die Landschaftsdarstellungen der nördlichen Hemisphäre, die ich immer wieder mit großen und kleinen Fliegern unter die Lupe nehme. Von hochdetaillierten Airlinern und virtuellen Airlines habe ich mich mittlerweile aufgrund der schwachen Performancestruktur des FSX distanziert und bin nun fast nur noch als GA unterwegs.

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